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Gott

Woody Allen

Ein Autor und ein Schauspieler, ungefähr 500 Jahre v. Chr., streiten sich über den Ausgang eines Stücks, das sie beim Athener Dramen-Festival aufführen möchten. Da sie jedoch nur in einem anderen Stück spielen, in dem von Woody Allen, begeben sie sich bald in einen Dialog mit dem Publikum, das sich auch als erfunden erweist. Fiktion und Wirklichkeit sind derart miteinander vermittelt, daß beide in ihrem Anspruch, Kunst beziehungsweise Realität zu sein, bestritten werden. Die Lösung ist nur noch technisch möglich: ein Erfinder bietet dem Autor, welchem auch immer, eine Schlußmaschine an, mit der Zeus stets am Ausgang der Stücke einfliegt. Da jedoch die Maschine, die auf dem Höhepunkt des Dramas eingesetzt wird, versagt, stranguliert sich der einschwebende Zeus, Gott ist tot.

Gegenüber Woody Allens Texten bleibt der, der verstehen will, immer der Dumme, da sie sich in fast panischer Angst immer wieder neu entziehen. Nicht nur die fortschreitende Aufhebung der jeweils neu ins Spiel gebrachten Ebenen, die stets den Anspruch, Realität zu sein, erheben, irritiert den Rezipienten; auch die bewußte, fast regressive Verwendung sogenannter komischer Elemente, die zu den ödesten Kalauern herabsinken, und keiner wird einem erspart, macht die Texte rätselhaft. Da wehren sich seine Figuren gegen jegliche Art der Bestimmung, kämpfen mit all den Ansprüchen, die die Kulturindustrie zur Etikettierung der Künste produziert hat; ein Autor, der nur ein Schauspieler ist in dem Stück des Autors Woody Allen, weiß für sein Stück keinen Schluß und der telefonisch befragte Originalautor bescheinigt nur, er wisse ihn auch nicht, man möge ihn doch über den Ausgang des Abends informieren.

Jegliche Muster, die antiken wie neuzeitlichen, zur Anleitung der künstlerischen Produktion sind verloren, es gibt weder positive noch negative Konfliktlösungen, es gibt keine wirklichen Konflikte mehr, da dies die Konfrontation verschiedener Interessen voraussetzte; doch die Ausbildung von Interessen ist in einer von rasanter Verselbständigung bestimmten Welt unmöglich geworden. Was zu beschreiben bleibt, ist die anarchische Struktur einer Gesellschaft, für den New Yorker Woody Allen ein Potpourri von McDonalds Restaurants und prätentiösen Philosophemen, allein zum Zweck der erzwungenen physischen wie psychischen Selbsterhaltung.

Woody Allen, Jahrgang 1935, ist einer der wichtigsten Filmemacher und steht in der Tradition der Marx-Brothers und Charlie Chaplin. Sowohl in seinen literarischen Materialien als auch in seinen Filmen seziert er mit aggressiver Komik die gesellschaftlichen Bedingungen heute, die das Glück verstellen, auf das all seine Figuren doch ausgehen. Die List der Vernunft, wohl eins mit dem Komischen, erzwingt jedoch stets Resultate, die über den Köpfen der Menschen entstehen und diese zu ohnmächtigen Abziehbildern eines anonymen Ganzen degradieren, das sich nur mit anarchischen Humor noch überleben lässt.

Informationen

Ort

Theater an der Ruhr
Akazienallee 61
45478 Mülheim an der Ruhr

Besetzung

Team

Stimmen

Süddeutsche Zeitung, 2017

"Die Inszenierung von Roberto Ciulli - für die Dramaturgie zeichnet Helmut Schäfer verantwortlich - ist dabei temporeich und stark choreografiert. Die Schauspieler entfalten sichtlich Lust am komischen Geschehen, das eine stringente Handlung verweigert. Da gibt es wunderbare Szenen von elaborierter körperlicher Unbeholfenheit wie den Bauchtanz von Wendy Schicksal (großartig: Rupert J. Seidl als baumlanges Frauchen) oder wenn sich die eher klein gewachsenen Albert Bork (als Sklave) und Steffen Reuber (als Cratinus) in die Muskelpose antiker Heroen werfen und nebenbei mal gekonnt ein Kontrabass niedergerammelt wird. Schön auch, wie sich Ferhat Keskin als Bob Schicksal mit türkischem Macho-Kauderwelsch in Rage redet: Slapstick vom Feinsten, versierte Entführungen nach Absurdistan. Allens Humor birgt freilich stets Hintersinn und verschränkt zeitlose Fragen mit moderner Gesellschaftskritik. Für den transzendenzsuchenden Komiker Woody Allen, der "Gott" in den Siebzigern schrieb, ist das Leben eben alles andere als eine Glücksveranstaltung. Es birgt freilich auch sehr vergnügliche Momente, und so einer war dieser Abend in Pullach - wobei einem Stück und Inszenierung ein paar schöne Denkinspirationen mit auf den Weg gaben."

Osnabrücker Zeitung, 2010

"Woody Allen so scheint es, löst seine Unsicherheit mit Humor. Roberto Ciulli und seine spielfreudigen Schauspieler greifen das dankbar auf und machen daraus eine wilde und freie Inszenierung, in der nichts unmöglich ist. Die zum Teil sehr schrägen Kostüme tragen ihren Teil dazu bei. Da ist es eine Freude zuzugucken, obwohl die Unsicherheit ob der eigenen Existenz einem den Boden unter den Füßen entziehen könnte."

Landsberger Tagblatt, 2004

"Das große Ensemble mit griechischem Chor spielt souverän mit viel emotionaler Beteiligung. Alle Schauspieler sind eigenen Typen, die schon durch ihre extravagante Maske oder ihre Persönlichkeit auf der Bühne wirken. Ein sympathisches und modernes Ensemble. Albert Bork muss als Sklave und griechischer Schauspieler nicht nur Körpereinsatz beim Kräftemessen zeigen, sondern überzeugt auch durchgängig als hilfloser vom Autor getriebener Schauspieler, der versucht, gegen die Allmacht der Regie (Gott?) anzukämpfen. Ein mitreißender Theaterabend, der begeisterte."