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Ein Mensch wie ihr

Nach "Fatzer" von Bertolt Brecht

Ein vielstimmiger Parcours in Kriegszeiten: Theater, Tanz, Geschichten, Fest
 

Suchen Sie sich aus, wie viel Sie bezahlen möchten! Ab € 8,- ist der Ticketpreis frei wählbar.
In der Stadthalle Mülheim gilt weiterhin die Maskenpflicht, weitere Sicherheitsmaßnahmen der Stadthalle finden Sie hier.

Begleitet von Soundinstallationen, Videos, Aktionen und DJing „erobern“ drei künstlerische Teams um die Choreografin Rafaële Giovanola, die Autorin und Regisseurin Christine Umpfenbach und den Regisseur und bildenden Künstler Philipp Preuss die Räume der Stadthalle Mülheim. Menschen aus der Region stehen neben Schauspieler*innen, Tänzer*innen und Musiker*innen auf den Bühnen. Ein großer, diverser Chor aus Bürger*innen der Region und Mitgliedern der Chöre der Petrikirche erweitert das professionelle Ensemble. Insgesamt gestalten mehr als 60 Beteiligte das multiperspektivische Kunstfest.

Gemeinsam gehen sie der ewigen Frage nach: Ist der Mensch nun „von Natur aus gut“ oder doch „des Menschen Wolf“? Bertolt Brechts Fragment „Fatzer“, das in Mülheim an der Ruhr spielt, bildet die hochaktuelle Folie für sehr unterschiedliche Erkundungen. „Drei Minuten lang nachzudenken“ – wie es im „Fatzer“ heißt – über die Spezies Mensch als Egoist*in, als Kriegstreiber*in und gleichzeitig als das Gemeinschaftswesen, das sehnsuchtsvoll nach einer anderen Welt strebt.

Die Zuschauer*innen durchwandern, geführt und begleitet, die Stadthalle und erleben einen mehrteiligen Theaterparcours aus vielgestaltigen Elementen wie Schauspiel, Tanz, Chören, Geschichten und Film, der bei gemeinsamem Essen und Trinken in ein hoffentlich gemeinschaftsbildendes Fest übergeht.

„Brechts ‚Fatzer‘, eine Stückskizze in Sprachtrümmern, stationiert in Mülheim, ist der Versuch Krieg auf das ewige Schlachtfeld Individuum versus Gruppe zu kondensieren“, so Philipp Preuss. Für ihn stellt sich die Frage: „Wie weit kann individuelle Freiheit gehen, wenn sie damit das Leben anderer gefährdet? Brecht stellt sich zunächst hinter die Deserteure, um dann zu sehen, dass die Frontlinien der Gewalt in den menschlichen sozialen Strukturen selbst herrschen. „Der ewige Loop des Kriegs produziert Untote in jeweils aktuellen Uniformen, Krieg ist immer nur ein zerstörerisches Gegenmodell zu Utopie; wie schreibt Brecht: ‚Mir scheint ich bin vorläufig, aber was läuft nach?“

Christine Umpfenbach schließt daran an. Zu ihrem Projekt mit fünf Frauen, die selbst oder deren Eltern vor Kriegen geflohen sind, sagt sie: „Mich interessiert an dem ‚Fatzer‘-Material vor allem die Frage von Individuum und Kollektiv. Was ist das für ein Moment, in dem sich ein Mensch entscheidet, sich aus einer Gruppe zu lösen, ‚Nein‘ zu sagen, ‚Nein‘ zu einem System‘ oder ‚Nein‘ zum Kämpfen? Das ist erstmal eine sehr einsame Entscheidung, die einen isoliert und die deswegen nie leicht ist. Man befindet sich im Dazwischen, in einem Niemandsland. Dieser Moment erscheint mir sehr wichtig und mutig.“

Die Choreografin Rafaële Giovanola macht klar: „Es geht um Bewegungen des Einzelnen und der Gruppe, Bewegungen, die den Raum definieren und strukturieren.“
Sie möchte an diesem Abend „einen Zwischenraum, eine Schwelle, einen Raum, in dem Verschiebungen des Hörens, Sehens und Fühlens spürbar werden“ schaffen. Hier sollen sich Betrachter*innen und Akteur*innen vermischen.

Rafaële Giovanola, geboren 1960 in Baltimore/USA und aufgewachsen in der Schweiz, arbeitet als Choreografin und Regisseurin. Sie studierte Tanz bei Marika Besobrasova in Monte Carlo, ihr erstes Engagement führte sie als Solistin nach Turin. 1995 wurde sie in der Kritikerumfrage von „ballett international/tanz aktuell“ in der Kategorie „außergewöhnliche Tänzerpersönlichkeiten“ genannt. 2000 gründete sie zusammen mit Rainald Endraß die freie Gruppe CocoonDance. Rafaële Giovanola arbeitet international und unterrichtet(e) zudem verschiedene Tanzkompagnien, etwa die des Theater Freiburg, des tanzhaus NRW in Düsseldorf und der Ewgenij Panfilow Company in Perm, Russland.

Philipp Preuss, geboren 1974 in Bregenz und aufgewachsen in Wien, ist Regisseur und Mitglied der kollektiven künstlerischen Leitung des Theater an der Ruhr. Er studierte Regie und Schauspiel am Mozarteum Salzburg sowie Theaterwissenschaften und Philosophie in Wien und ist seit 2001 freier Regisseur. Von ihm stammen Arbeiten u. a. am Schauspielhaus Bochum, Theater Dortmund, Schauspiel Frankfurt, Deutsches Theater Berlin, Schaubühne Berlin, Schauspiel Leipzig, Bayreuther Festspiele, Residenztheater München. Preuss inszeniert seit 2001 Ausstellungen mit fiktiv-virtuellen Künstlerfiguren, die von Schauspieler*innen dargestellt werden; er erweitert den Theaterbegriff in den Bereich der bildenden Kunst.

Christine Umpfenbach, geboren 1971 in München, studierte Bühnenbild an der Kunsthochschule Berlin Weißensee und Regie am Goldsmiths College London. Von 2000 bis 2002 leitete sie zusammen mit Antje Wenningmann das Obdachlosentheater Ratten 07 an der Volksbühne Berlin. Seit 2003 entwickelt und inszeniert sie Theaterprojekte im Stadtraum, an Stadt- und Staatstheatern sowie für Festivals unter anderem in München, Freiburg, Riga, Tel Aviv oder Taipei. Ihren dokumentarischen Projekten geht immer eine intensive Recherche voraus. Dabei stellt sie individuelle Biografien von Zeitzeugen in den Vordergrund. Mit ihrer Inszenierung „9/26 – Das Oktoberfestattentat“, erarbeitet an den Münchner Kammerspielen, war sie 2021 für den Mülheimer Dramatikpreis nominiert.

Gefördert im Rahmen von NEUE WEGE durch das Ministerium für Kultur und Wissenschaft des Landes NRW in Zusammenarbeit mit dem NRW KULTURsekretariat. Mit freundlicher Unterstützung der Stiftung Mülheimer Wohnungsbau.

 

Beteiligte

FRAGMENT Theatersaal
Ensemble: Günther Harder, Leonhard Hugger, Fabio Menéndez, Steffen Reuber, Rupert J. Seidl, Gabriella Weber
Textfassung und Regie: Philipp Preuss
Bühne: Ramallah Sara Aubrecht
Kostüm: Eva Karobath
Video: Konny Keller
Dramaturgie: Helmut Schäfer
Komposition: Jörg Ritzenhoff
Licht: Jochen Jahncke, Toni Mersch
Ton: Uwe Muschinksi
Maske: Suzana Schönwald
Regieassistenz: Toby Stöttner

JEMAND OHNE UNIFORM Kammermusiksaal
Mit: Eda Aliji, Anya Dudkina, Inge Ketzer, Sham Mousa, Jasmina Musić, Suhair Amal Omran, Berit Vander
Chor: Rama Al Sayasneh, Aimée Doms, Sarah Kranenpoot,  Vanessa Neutsch, Diana Zaza, Lisa Zimmermann
Text und Regie: Christine Umpfenbach
Dramaturgie: Dijana Brnic, Philine Kleeberg
Kostüm: Mona Kuschel
Bühne: Ramallah Sara Aubrecht
Video: Anton Kaun
Chor: Gijs Burger, Thorsten Töpp
Sound: Jörg Ritzenhoff
Licht: Dávid Gyebrovszky
Ton: Maximilian Stadler, Thomas Straub
Regieassistenz: Lennart Wegmann

NICHT GERN ALLEIN Ruhrfoyer
Von und mit: Léonce Noah Konan, Jonathan Sanchez, Silvia Ehnis Pérez Duarte, María Mercedes Flores Mujica, Wisam Atfah, Abdulrazak Balksh, Alaa Nema, Maryam Nema, Olena Polianska
Choreographie in Zusammenarbeit mit dem Ensemble und Konzept: Rafaële Giovanola
Komposition: Jörg Ritzenhoff
Bühne: Ramallah Sara Aubrecht
Kostüm: Fa-Hsuan Chen
Licht: Daniel Kaschler, Timo Löffler
Ton: Jan Godde
Dramaturgische Beratung: Rainald Endrass
Outside Eye für Choreographie: Alvaro Esteban López
Choreographische Assistenz: Silvia Ehnis Pérez Duarte, María Mercedes Flores Mujica

Chor
Bekim Aliji, Eda Aliji, Rama Al Sayasneh, Mukerem Arifi, Wisam Atfah, Abdulrazak Balksh, Kati Beck, Ulla Christmann, Christian de Wendt, Aimée Doms, Silvia Ehnis Pérez Duarte, Anya Dudkina, María Mercedes Flores Mujica, Ragnhild Geck, Rafaële Giovanola, Günther Harder, Mona Hielscher, Leonhard Hugger, Joachim Huy, Margarethe Jeler, Karla Kaspers, Anja Keienburg, Harald Keienburg, Inge Ketzer, Nina Kolf, Sarah Kranenpoot, Juliane Kraus-Dorgathen, Fabio Menéndez, Sham Mousa, Jasmina Musić, Maria Neumann, Alaa Nema, Maryam Nema, Vanessa Neutsch, Léonce Konan Noah, Suhair Amal Omran, Olena Polianska, Steffen Reuber, Christophger Rupprecht, Jonathan Sanchez, Leo Leóni Schmidt, Norbert Schröter, Kugatharcini Selvaratnam, Rupert J. Seidl,  Karina Sosnowski, Karola Szabó, Marina Terzan, Maja Terzan, Berit Vander, Zhen Wang, Gabriella Weber, Lennart Wegmann, Beate Wüsten, Diana Zaza, Lisa Zimmermann
Musikalische Leitung: Gijs Burger
Komposition: Thorsten Töpp
Mitarbeit: Lisa Zimmermann
Akkordeon: Slavi Grigorov
Koordination: Karola Szabó
Kinderbetreuung: Gigi Mertens "Oma Gigi"

Informationen

Karten sind ab € 8,- im "Zahl, was du kannst Prinzip" erhältlich

Premiere

Premiere: 14.10.2022

Ort

Stadthalle Mülheim an der Ruhr
Theodor-Heuss-Platz 1
45479 Mülheim an der Ruhr