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antigone. ein requiem

Thomas Köck

Gärend liegen an Europas Stränden Leichen. Angeschwemmt, eine nach der anderen. Der Überschuss postnationaler Planspiele, die Summe unserer Berechnungen. Zu wem gehören diese Toten? Antigone will sie nach Menschenbrauch bestatten. Kreon nicht. Das Fundament seiner Vorstellung von Demokratie wähnt er bedroht. Ein alter Konflikt, der Gesellschaften verändern kann, entfacht: Rechtsordnung des Staates versus subjektives Rechtsempfinden. In der nahen Zukunft unserer westlichen Demokratien, in der sich Staatsgewalt und Medienmacht in Personalunion vereinen, kommt es zum Show-down. 

Thomas Köck, der 2018 und 2019 den Mülheimer Dramatikerpreis gewann, veröffentlichte im Herbst 2019 „antigone. ein requiem“, eine mit feinem Gespür für das Komische geschriebene Rekomposition des Antigone Mythos.

Eine Idee nahm ihren Anfang in der Vorbereitung zur Inszenierung  des  Stücks und veranlasste ein Team, sich auf eine Abenteuerreise zu begeben. Ausgangsort war das Theater an der Ruhr in Mülheim an der Ruhr und die Reise ging nach Potosi, im heutigen Bolivien, 4800 Meter über dem Meeresspiegel. Die Reisenden überlebten einen Lockdown und Grenzschließungen. Sie wurden Fremde auf fremdem Terrain, wurden Zeugen und Berichterstatter, wurden zu Aktivisten und Moderatoren, begaben sich in die Politik und Wissenschaften, wurden über das von Anbeginn gemeinsam Erinnerte zu Mahnenden, ehe sie wiederkehrten an ihren Ausgangsort, der Bühne, dem Schausplatz der Begegnung und des Austausches. Hier verhandeln sie von Neuem ihre Geschichte, den Mythos um Antigone. Konfrontiert sind sie dabei mit einer Welt, die alles dokumentiert bereit hält, Bilder die sie nicht mehr loswerden können. Tote, die mehr und mehr ins Zentrum rücken. Sie versuchen sich zurechtzufinden, ziehen Bilanz und erspüren Perspektiven für eine Zukunft, die ungewisser  nicht sein könnte. Ein Ereignis, in dem der Ritus  im festlichen Gewand den Neuanfang sucht.

Informationen

Premiere

03.09.2020

Ort

Theater an der Ruhr
Akazienallee 61
45478 Mülheim an der Ruhr

Besetzung

Team

Stimmen

Dietmar Zimmermann, Theatermail

„Ehre, wem Ehre gebührt: Spielzeitauftakt der neuen NRW-Theatersaison im aus Sicht des Chronisten besten NRW-Theater der Spielzeit 2019/20. Es gelingt Simone Thoma auf überzeugende Weise, den Konflikt zwischen Idealismus und Rationalität herauszuarbeiten. Durch eigene Texte und Motive von der Ausbeutung der Bergarbeiter in den Silberminen von Potosi verstärkt sie die Kritik an neoliberalen und frühkapitalistischen Verhaltensweisen. Peter Wedels Videos tragen dazu bei, dass die Inszenierung aufrütteln kann und nachdenklich macht."

Cornelia Fiedler, Theater heute 

 „Simone Thomas “antigone” besticht als seine unzeitgemäß ernsthafte Ensembleleistung, fein gearbeitet, exakt gespielt, politisch durchdacht und mit großer Ruhe präsentiert. Der latent skurrile Dauerkontrast dieser Spielweise zum Glitzern der Gäste und dem Talkshow-Setting schärft den Blick auf die verhandelten Inhalte. Zugleich wird man zum Publikum eines Showformats, das von seinem aufklärerischen Gestus lebt, letztlich aber aus Leid nur abstumpfende Unterhaltung generiert.“

Wolfgang Platzeck, WAZ 

„In der Sophokles-Bearbeitung „Antigone. Ein Requiem“ von Thomas Köck sind sie unsichtbar und doch allgegenwärtig, die Bootsflüchtlinge, die samt ihrer Träume und Hoffnungen im Mittelmeer ums Leben kamen und die am Theater an der Ruhr bereits in den verstörenden Stück „Boat Memory“ beklagt werden. Simone Thomas intensive, zu Recht auf die Kra der Sprache setzende Inszenierung ist die angemessene Fortschreibung des Themas.“