Ein anderes Blau (UA)
Meditation über die Sehnsucht
„herausfordernd, philosophisch, schwierig – und irgendwie tröstlich“ (DLF)
Zu Beginn von Novalis’ Romanfragment Heinrich von Ofterdingen träumt der junge Heinrich von einer Blauen Blume, welche zu dem zentralen Sehnsuchtsmotiv der Romantik wurde. Sie symbolisiert das Streben nach Erkenntnis der Natur und – daraus folgend – des Selbst. Später vermenschlicht sich die Blaue Blume in Heinrichs Begegnung mit Mathilde. Die beiden verlieben sich und begleiten sich von diesem Augenblick an über die Schwellen des Realen und über den Tod hinaus. Ein anderes Blau nimmt sich dieser Symbolik an und versetzt sie in die Gegenwart. Kann man der Depression und Untergangsangst dieser Gegenwart mit schwellenüberschreitender Fantasie begegnen?
Eine Gruppe von Menschen, mit nichts ausgestattet als ihren Körpern, unternimmt eine Reise durch die letzte Stunde ihrer Existenz. Sie suchen das andere Blau im Meer, im schönen Tod, in der politischen Aktion, in der Umarmung, in der Empathie und in der Gesellschaft miteinander. Gemeinsam scheitern sie an den Schwellen ihrer Existenz, gemeinsam überschreiten sie sie und träumen sich in ein Paradies.
Wann werden die Versuche des Menschen, dem Tod mit Technologie zu begegnen, wie es heute wieder von Tech-utopischen Manifesten gefordert wird, lächerlicher erscheinen, als der romantische Aufruf, Tod, Abschied und Sehnsucht zu umarmen? Im Angesicht des Todes der Zivilisation, der Klimakatastrophe, möchte der Abend zum Abschiednehmen aufrufen – nicht in Melancholie, sondern als Aufruf zur Zusammenarbeit.
Als Antwort auf den Abend Das eingebildete Tier konzipiert, welcher den verzweifelten Versuch des Menschen sich durch Sprache auszudrücken thematisiert, fragt Ein anderes Blau nach dem Moment, in dem auch das Kleid der Sprache fällt und entwickelt seine Erzählung fast allein aus der Präsenz der Körper.
Doppelvorstellung „Anarchie und Sehnsucht"
Ein anderes Blau (UA) wird auch als Doppelvorstellung zusammen mit dem Stück Das eingebildete Tier (DEA) an folgenden Terminen aufgeführt:
07.11., 15.11., 22.11., 29.11.
Informationen
Premiere
07.11.2025
Ort
Theater an der Ruhr
Akazienallee 61
45478 Mülheim an der Ruhr
Besetzung
Team
- Charlotte Sprenger
Regie - Aleksandra Pavlović
Bühne & Kostüme - Philipp Plessmann
Musik - Dijana Brnić
Regieassistenz - Alexander Weinstock
Dramaturgie - Marion Leinders
Maske
Mit dem Kauf einer Karte für diese Vorstellung haben Sie Zugang zum gesamten Rahmenprogramm an diesem Tag.
Interview mit Julie Grothgar und Charlotte Sprenger
Die beiden Regisseurinnen der Stücke „Ein anderes Blau“ und „Das eingebildete Tier“ im Gespräch mit den Dramaturg*innen Constanze Fröhlich und Alexander Weinstock.
- CBplayer 1.7.0
Stimmen
Helene Röhnsch, FAZ:
„Sie [die Spieler] suchen nach Verbundenheit, finden und verlieren sie. Im Hintergrund läuft ein digitaler Countdown ab – es ist die letzte Lebensstunde dieser Menschen. Was macht man mit diesen wertvollen Minuten? Die Spieler stimmen ein zartes „In Paradisum“ aus Gabriel Faurés Requiem an, das irgendwann von einem wilden Schwanenseeremix mit harten Elektrobeats abgelöst wird. [...] Nach Novarinas Textgewalten ist die Sprache in „Ein anderes Blau“ in der Regie von Charlotte Sprenger fast verschwunden. Manchmal entwickeln die Tableaux Vivants dabei eine poetische Kraft [...].“
Andrea Müller, WAZ:
„Die Schauspielerinnen und Schauspieler agieren auf der Bühne fast ohne Worte, lassen einen musikalisch gestützten Bilderreigen entstehen. Die Bühne öffnet sich zum Park hinter dem Theater – die Romantiker sahen die Natur als sinnstiftende Kraft und Ort der Selbsterkenntnis.“
„Charlotte Sprenger ruft zum Hinschauen auf den Tod (oder ein anderes Ende) statt zur Verdrängung auf. Was könnte gut daran sein, wenn etwas endet? Könnte dann nicht etwas Unschuldiges, etwas Neues entstehen?“
Dorothea Marcus, DLF Kultur:
„Von dieser Sehnsucht handelt auch der zweite Teil des Doppelabends [...]. Die Sprache ist fast verschwunden. Rote Digitalzahlen an der Wand zählen eine gute halbe Stunde herunter. Auf einem Luftkissen mit aufgemaltem Meer tollen und toben die Schauspieler:innen herum. Manchmal verwandelt sich die Urlaubsfeier in eine Orgie – es wird geraucht, getanzt, gesungen, alles, was vom Elend der Welt ablenkt. Doch irgendwann ist die Zeit auf der Digitaluhr abgelaufen – eine schöne Allegorie auf den Tod. Davor war Klamauk und Kauderwelsch, herausfordernd, philosophisch, schwierig – und irgendwie tröstlich.“