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Violetter Schnee (UA)

Vladimir Sorokin

Übersetzt aus dem Russischen von Dorothea Trottenberg.

Ein nie da gewesener Schneefall ist über den europäischen Kontinent hereingebrochen. Schneemassen umschliessen die Eigenheime und verwandeln sie in Gefängnisse wider Willen. Jacques, Jan, Natascha, Peter und Silvia, situierte Europäer, sitzen in einer Villa in den Bergen fest. Von der Umwelt und ihren Mitmenschen abgeschnitten, versuchen sie sich bemerkbar zu machen. Vergebens, es ist keine Rettung in Sicht. Ihre Beziehungen untereinander werden brüchig und die Rituale, die sie praktizieren, um zu überleben, zunehmend bedrohlich.

Mit dem Schneefall über Europa ist es wie mit dem Brei in dem Märchen der Brüder Grimm Der süsse Brei. Der Topf kocht und kocht und hört nicht mehr auf. Und der Brei steigt höher und höher. Die Vorräte werden knapp und die Sinne stumpf. Wie in einem kalten Krieg, scheint den Eingeschneiten die wechselseitige Androhung der Vernichtung des anderen eine Überlebensstrategie, die Erfolg verspricht. „Recht so!“, das geheimnisvolle Mantra von Alex, dem verstorbenen Mann von Natascha, wird zur dunklen Ahnung, dass das alles kein Zufall ist.

Wunder geschehen, zumindest im violetten Schnee. Das Töpfchen hört auf zu kochen, und die Mauern aus Schnee beginnen zu fallen. Jan, Jacques, Natascha, Peter und Silvia sehen nach langer Isolation den Mond, den Himmel, die Sterne wieder. Und dann, unerwartet und plötzlich erklingt ein nie wahrgenommener Ton aus der Zukunft, der sie erkennen lässt,…

Mit der Uraufführung Violetter Schnee inszeniert Roberto Ciulli zum ersten mal einen Theatertext des renommierten, in Russland heftigen Angriffen ausgesetzten, zeitgenössischen Autors Vladimir Sorokin. Aus dem für die Oper geschriebenen Stück entwirft er eine Metapher über den Zustand und die Zukunft Europas, über eine zerfallende Gesellschaft zwischen Leben und Tod.

Informationen

Premiere

03.09.2021

Dauer

ca. 2 Stunden

Ort

Theater an der Ruhr
Akazienallee 61
45478 Mülheim an der Ruhr

Besetzung

Team

Stimmen

Klaus Stübler, Ruhr Nachrichten, 2021 

"Roberto Ciulli wird nicht müde, sich in die gesellschaftlichen Entwicklungen einzumischen…. Ciullis Botschaft: Notsituationen und Katastrophen, wir sie heute erleben, bieten Chancen zur Veränderung – wenn man sie denn nicht einfach so hinnimmt."

Kerstin Holm, FAZ, 2021

"Ciulli fasziniert das Original, weil es den Katastrophenzustand, an welchen die Europäer sich gewöhnt hätten, als lebensbedrohende Notlage in einer sozialen Versuchsanordnung extrapoliert. Nur das Empfinden von Not setze eine Gesellschaft instand, sich zu ändern und politisch zu handeln, erklärt dieser Pionier der interkulturellen Verständigung weit über den europäischen Raum hinaus…"

Dorothea Marcus, Deutschlandfunk, 2021

"Zum Schluss ist die Katastrophe vermeintlich überstanden, der Mond wieder sichtbar, der Schneeglänzt violett. Die fünf preisen die Katastrophe als Selbsterfahrung, bis zum nächsten vielleicht finalen Mal. Im letzten Bild der Aufführung ist die Menschheit verschwunden, ausradiert, einzig ein Brot auf dem Tisch erinnert daran, dass echte Gemeinschaft vielleicht möglich gewesen wäre. Doch so tragisch wie sich das anhört ist es nicht, sondern oft zum Lachen. Im Grunde macht sich der weit über 80-jährige Regisseur Ciulli an diesem Abend auf melancholisch-fatalistische Weise lustig über alle Arten von Weltrettungskonnzepten, inklusive der Kunst, für die erdoch sein ganzes Leben [...] gekämpft hat. Ein feinsinniges Requiem auf den Menschen und seinen vergeblichen Kampf gegen die Vergänglichkeit"

Stefan Keim, WDR 3 Mosaik, 2021

"[...] der Abend ist ein Gesamtkunstwerk, [...] das politische ist [...] auch sehr da, denn er ist ein Denkraum. Wir sind die ganze Zeit auch offen und auch doch durch den vorherrschenden leisen Tonfall dazu aufgefordert mitzudenken und zu schauen wie kann man aus so einer Situation wieder rauskommen und wie kann überhaupt Leben noch möglich sein."

Dietmar Zimmermann, theater:pur, 2021

"Der Klimawandel hat die fünf Jungs und Mädels am Schlafittchen. Seit Wochen sind sie eingesschneit, irgendwo im Wald, irgendwo in einer einsam gelegenen Datscha. Sie scheinen unverrückbar aneinander gekettet durch die unerbittlichen Naturgewalten. [...] Immer wieder schimmert solcher Humor durch die düsteren, poetischen Zeilen des Stücks. Doch dieser Humor ist bitter, fast zynisch. Die Nöte der Eingeschlossenen sind existenziell und manche ihrer philosophischen Gedanken existenzialistisch."

Andreas Falentin, Deutsche Bühne, 2021

"Wir sind der Schnee an diesem Abend. Wir werden beleuchtet für das Ensemble, das darüber philosophiert, dass alle in Einklang kommen müssen. Alles, nicht nur das Theater und sein Publikum. Aber das, sie und wir, ist spürbar gemeint und wäre zweifellos eine wichitge Keimzelle. Dann gehen sie ab. [...] Die, klug künstlich bleibenden Figuren interessieren uns [...]. Ihr von Selbstmitleid durchzogenes Geschwätz erscheint relevant, wirft uns geradezu auf unser Verhalten im Pandemie-Lockdown, auf den seit 18 Monaten andauernden Regentanz für "Normalität". Die Angst, der Überdruss, die Sehnsucht, die Austrocknung von Kommunikations- und Sozialkompetenz - alles ist da, ohne irgendetwas explizit auf Corona zu beziehen und doch sehr treffsicher. [...] Dann fahren die Bücher in die Grube, verbrennt ein Stück Kultur. Ein Ritual. Die sind ein weiteres Thema, von diesem Theaterabend und Roberto Ciulli. Auch sie werden erforscht und das Ergebnis wird spielerisch vorgezeigt. Und witzig. Vor allem der - auch er nie laut, versteht sich - Witz verhütet, dass die Erzählung von jenem Selbstmitleid ergriffen wird, das sie ständig zu gestalten hat."