Europa oder die Träume des dritten Reichs (UA)
Regie: Philipp Preuss
1945. Nein, keine Stunde Null, die illusionäre, die Uhr tickte weiter, zumindest die historische, von Neuanfang konnte keine Rede sein. Als Schlafwagenschaffner fährt der junge Deutschamerikaner Leopold Kessler durch das surreale Deutschland der Nachkriegszeit, vorbei an verwüsteten Ortschaften und Landschaften voller Tristesse. Wie in einem Traum heiratet er in die Familie des Direktors seines Bahnunternehmens ein und befindet sich plötzlich mitten unter ehemaligen Nazis, Gruppierungen von Werwölfen, die gegen das Virus der Vergangenheit immer noch nicht immun sind und nicht hinnehmen wollen, dass der Krieg verloren war. Das Virus lebt fort.
Der Abend verzahnt Lars von Triers Filme "Europa", "Epidemic" und Charlotte Beradts Textsammlung "Das Dritte Reich des Traums" zu einer albtraumhaften Befragung unserer Gegenwart. Geschichte als Fiktion, Fiktion als Geschichte, Nazis und die Pest als ewige Wiedergänger. Eine Zugfahrt in unsere Vergangenheit der Zukunft der Vergangenheit. Eine theatrale Hypnose.
"Du willst aufwachen, um dich vom Wahnbild Europas zu befreien. Aber das ist nicht möglich."
Gefördert im Rahmen von NEUE WEGE durch das Ministerium für Kultur und
Wissenschaft des Landes NRW in Zusammenarbeit mit dem NRW KULTURsekretariat.
Stimmen
Stefan Keim, Deutschlandfunk Kultur – Fazit-Kultur vom Tage
„Wie passt das eine mit dem anderen zusammen? Das passt hervorragend zusammen, denn auch was Lars von Trier dort verfilmt hat, das ist ja auch so eine Erinnerung und gleichzeitig fährt dieser Zug ja durch das zerstörte Nachkriegs-Deutschland ja auch durch die deutschen Traumata. Und das verzahnt sich ganz ausgezeichnet."
Dorothea Marcus, Deutschlandfunk – Kultur heute
„Regisseur Philipp Preuss reflektiert hier eine Gegenwartsgesellschaft, die im Terror der Gleichzeitigkeit lebt und ihre Aufmerksamkeit ständig an Split-screens verteilt. Und zugleich versucht er dabei den Zuschauer selbst zu hypnotisieren mit Hilfe der tiefen Stimme der Schauspielerin Petra von der Beeck, die uns in den Kopf des Protagonisten sinken lässt. Denn schließlich ist das europäische Unterbewusstsein, um das es hier geht, ja unser eigenes.
Dieser Abend versucht eine Art Quadratur des Kreises.
Einerseits versucht er eine neue Form von digitaler Theaterimmersion zu erfinden, versucht mit extremen blutigen Bildern, Geräuschen, Stimmen, Lichtern und Musik - die tief in die Eingeweide fahren - zu zeigen, dass die dunklen Geister der Vergangenheit in uns lauern.
Und andererseits hält er an der rationalen Oberfläche fest. Thematisiert Konsequenzen von Internet, Rechtsruck, Geschichtsvergessenheit. Eine verwirrende Mischung.
Aber ein aufregendes Bewusstseinsexperiment, dass die Möglichkeiten des digitalen Theaters nochmal ganz neu definiert.“